Mit Wearables und Health Apps zu einem gesünderen Leben  

Heute schon genug Schritte gegangen, regelmäßig aufgestanden, trainiert? Seit Apple Watch und Fitbit sind wir mit diesen kleinen “Nudges” zugunsten unserer Gesundheit vertraut. Wearables und Apps können jedoch längst viel mehr. Ihre Sensoren sammeln Millionen Daten vom Puls bis zum Blutsauerstoff – nicht nur zur Diagnose, sondern auch zur Therapie.

15 Jahre ist es her, da entdeckte das Technologie-Magazin Wired eine verschrobene Gemeinschaft von Bewohnern des Silicon Valley, das “Quantified Self Movement”. Tech-Nerds zeichneten mit Hilfe digitaler Geräte die Daten ihres täglichen Lebens auf, wie die tägliche Schrittzahl, Dauer ihres Fitness-Trainings, Körperdaten, tägliche Diät und Lebensgewohnheiten. Ihr Ziel: Ein gesünderes, längeres Leben durch messbare Änderung des Lebensstils zu führen.

Heute ist diese seltsame Gewohnheit Mainstream geworden. Mit Fitbit kam bereits 2009 das erste digitale Armband auf den Markt, das gemeinsam mit Smartphones Fitness-Daten seiner Träger erfasste. Bereits bei der ersten Vorstellung seiner Watch im Jahr 2015 stellte Apple den Nutzen für die persönliche Gesundheit in den Vordergrund. Drei Kreise hatten Watch-Träger täglich zu schließen: Die Zahl der Schritte, das (mindestens) stündliche Aufstehen, und der Kalorienverbrauch durch Fitness-Training. Je nach Fortschritt schickte die Uhr ermunternde oder tadelnde Erinnerungen, sich an sein selbstgewähltes Programm zu halten.

Seit diesen frühen Exemplaren von “Wearables” – digitale Geräte, die am Körper getragen werden – ist die Zahl der Angebote ebenso wie deren Funktionen förmlich explodiert. Als die Apple Watch auf den Markt kam, gab es bereits 500 Wearables mit Gesundheitsfunktionen auf dem Markt, den Marktforscher von CCS Insight mit 8 Milliarden US-Dollar Umsatz bezifferten. 2021 betrug der Umsatz mit Wearables weltweit bereits 29 Milliarden US-Dollar. 2019 verkaufte Apple mehr Uhren als die gesamte Schweizer Uhrenindustrie.

Covid als Booster für Wearables

Durch Covid hat die Verbreitung von Wearables einen zusätzlichen Schub bekommen, diagnostiziert das Magazin The Economist vor kurzem. Da Fitness-Center geschlossen waren verlagerten Menschen ihr Fitness-Programm in die freie Natur oder verwandelten das Schlafzimmer in ihren Trainingsraum. Wearables ebenso wie Apps unterstützten sie dabei, das Beste aus ihren Aktivitäten herauszuholen. Eine dänische Metastudie (die Auswertung von über 100 individuellen Studien) im Fachjournal BMJ zeigte, dass die durch Wearables erfassten Personen in den Pandemie-Jahren tatsächlich rund 1200 Schritte, etwa 800 Meter, täglich mehr gingen. Die Dauer von Fitnessübungen nahm 49 Minuten in der Woche zu, die im Sitzen verbrachte Zeit verringerte sich um täglich zehn Minuten. Geringe Fortschritte, gewiss: Jedoch können bereits täglich 1000 Schritte mehr die Sterblichkeit im besten Fall um bis zu einem Drittel verringern.

Wachsame Sensoren

Die Fähigkeiten von Sensoren, Körperfunktionen zu messen, nimmt ständig zu. Bis jetzt stehen zwar Fitness-Anwendungen im Vordergrund von Wearables. Aber zunehmend wird damit die Überwachung unserer Gesundheit zum Thema für diese digitalen Mini-Geräte. Grüne, rote und Infrarote LEDs an der Unterseite von Smartwatches oder smarten Ringen, die wie Fingerschmuck getragen werden, registrieren die unterschiedliche Reflexion des Bluts, wenn es durch die Haut pulsiert. Daraus lässt sich unter anderem die Herzfrequenz und und beispielsweise Herzflimmern rechtzeitig erkennen. Auch wenn Herzflimmern nicht gefährlich sein muss, ist es ein wesentlicher Faktor bei Schlaganfällen.

Rote LEDs wiederum können den Sauerstoffgehalt im Blut überwachen, ein wichtiger Indikator für Covid. Mit Hilfe eines smarten Pflasters kann der Blutzuckerspiegel gemessen werden. Während viele dieser Funktionen in weit verbreiteten Consumer-Produkten integriert sind, werden andere Wearables speziell für medizinische Zwecke entwickelt. So sollen nach Angaben seines Herstellers die Sensoren von Rockley Photonics Hydrierung, Zucker, Alkohol, Laktat und weitere Biomarker messen können, ebenso wie Körpertemperatur und Blutdruck. Marktbeobachtern zufolge werde sich der Markt in diese beiden Anwendungsbereiche segmentieren: Fitness und generelle Förderung eines gesünderen Lebensstils einerseits, medizinische Kontrolle andererseits.

Künstliche Intelligenz und Apps

Die enorme Datenmenge, die von Sensoren in Smartwatches und Fitness-Bändern, Brust- und Kopfbänder und smarten Ringen, In-Ohr-Kopfhörern und Schuhsolen geliefert werden, brauchen zu ihrer Verarbeitung AI (künstliche Intelligenz) ebenso wie Apps, damit der Mensch schließlich daraus den Nutzen ziehen kann. Diabetes ist eine logische Anwendung für die Messung des Blutzuckerspiegels und ein gutes Management durch die betreffende Person. Inzwischen nutzen auch leistungsbewusste Menschen die Möglichkeiten, die Blutzuckerdaten geben: So kann man lernen, in der täglichen Diät Nahrungsmittel zu vermeiden, die einen starken plötzlichen Anstieg und Abfall des Blutzuckers erzeugen und plötzliches Hungergefühl auslösen.

Digitaler Coach

Die Vermessung des Selbst durch eine Vielzahl von Daten kann schließlich auch therapeutische eingesetzt werden. Das Münchner Startup Kaia Health entstand aus der schmerzhaften Erfahrung der beiden Gründer Konstantin Mehl und Manuel Thurner mit chronischen Rückenschmerzen. Nachdem sie für sich die multimodale Therapie als wirksame Hilfe entdeckten, setzten sie diese in Form einer digitalen Therapie um. Dabei zeigt ein Smartphone die vorgeschriebenen Übungen vor, während die Selfie-Kamera den Übenden filmt und die Bewegungen auswertet.

Dank der dahinterstehenden künstlichen Intelligenz gibt der digitale Trainer Feedback und Ermunterung, damit die Übungen richtig gemacht werden. Studien zeigen, dass die Anweisungen der Qualität menschlicher Physiotherapie entsprechend. Die App von Kaia Health ist von Gesundheitsbehörden in der EU ebenso wie in den USA als medizinischer Behelf zugelassen.

Nach Angaben des Economist sind derzeit über 40 Gesundheitsapps für Bereiche wie Diabetes, chronische Rückenschmerzen, Schmerzmittelsucht, Asthma und Angstzustände in der EU zugelassen. “Nag-Ware” (“nervende Apps”) nennt man Anwendungen, die an die Einnahme von Medikamenten erinnern, oder dass heute noch 1000 Schritte zu gehen wären. Klingt wenig aufregend, kann jedoch bei chronischen Erkrankungen eine große Hilfe sein, damit Medikamente nicht nach kurzer Zeit wieder vergessen oder abgesetzt werden. Andere Apps sind digitale Coaches, wie die Kaia Health App gegen chronische Rückenschmerzen.

 

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Veröffentlicht am: 12. Mai 2022

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