Smart Waste: Sensoren und Scanner auf der Jagd nach wertvollen Rohstoffen im Abfall

Seit Urzeit erzeugen Menschen ein Produkt mit großer Verlässlichkeit: Müll. Was über Jahrtausende Großteils verrotten konnte, wächst uns jedoch seit Industrialisierung und Konsumgesellschaft dank unverrottbarer Abfälle über den Kopf. Der Weg zur Beseitigung der Müllberge liegt im Umdenken: Müll ist der Rohstoff der Zukunft. Und der Weg zum Abbau heißt “Smart Waste” – Elektronik, die beim Sortieren und Verarbeiten hilft.

Helmut Spudich

Es ist der Fluch des modernen Lebens und seiner Annehmlichkeiten: Die wachsende Menge an Abfallstoffen, die ein Nebenprodukt unseres Wohlstands sind. Österreich ist dabei in der EU überdurchschnittlich. Seine Haushalte produzieren jährlich 4,3 Millionen Tonnen oder 480 Millionen Kubikmeter Müll. Würde man diesen zum buchstäblichen Berg aufschichten, dann wäre es ein Quadrat mit einem halben Kilometer Seitenlänge, so hoch wie der Wiener Stephansdom. Oder anders ausgedrückt: Vor die Tür gestellt statt laufend entsorgt, gebe das für jeden Bewohner, jede Bewohnerin einen riesigen Sack, fast sechs Meter hoch, einen Meter im Durchmesser, und eine halbe Tonne schwer. Und der Sack wird Jahr um Jahr größer und schwerer.

Zunehmend haben wir in den letzten Jahrzehnten gelernt, dass die Lösung dieser Problematik nicht in größeren Deponien liegt, die versiegelt als (problematisches) Bauland verwendet werden; nicht in weiteren Müllverbrennungsanlagen, die toxische Rückstände filtern aber trotzdem ihre Treibhausgase in die Luft blasen; und auch nicht im Export in arme Länder, die so kurzfristig zu Einkommen, langfristig zu großen Problemen kommen.

Die Antwort hatten Menschen schon in der Antike erkannt: Die Wiederverwertung wertvoller Stoffe aus dem Abfall der Haushalte und Werkstätten. “Die Antike war eine starke Recyclinggesellschaft”, sagt die Archäologin Sabine Ladstätter, Leiterin des Österreichischen Archäologischen Instituts, 2011 Wissenschaftlerin des Jahres. Bei Grabungen in Oberägypten wurde dies deutlich: Dabei fanden sich kaum Gläser und Metalle, da diese Materialien von Griechen, Ägyptern, Römern gesammelt und wieder eingeschmolzen wurden. Alte Statuen aus Bronze und Kupfer wurden nach ihrer Zerstörung eingeschmolzen.

Kreislaufwirtschaft

Recycling und Kreislaufwirtschaft ist das Gebot der Stunde, um den inzwischen gigantischen ökologischen Fußabdruck des Menschen wieder zu verkleinern. Bei einigen Stoffen – vor allem Altpapier und Glas – gelingt das bereits ganz gut. Bei anderen, allen voran dem wachsenden Plastikproblem, sind die Ergebnisse noch bescheiden. Nur ein Drittel des heimischen Plastikmülls wird recycelt, der Rest verbrannt – dabei sollen in der EU 55 Prozent des Plastikmülls schon in wenigen Jahren wiederverwertet werden. Und ein riesiges Thema, das noch am Anfang seiner Lösung steht, sind Elektroschrott und Batterien, die sich heute nicht nur in E-Autos sondern auch singenden Geburtstagskarten und vielen Klein- und Kleinstgeräten finden und oft im Haushaltsmüll landen.

Smarte Technologie kommt jedoch auch zur Lösung dieser Aufgaben zu Hilfe: Vernetzte Mülltonnen, die Füllstände und Probleme erkennen und so die Abfuhr effizienter machen, und Werkstoffscanner, die Materialien im falschen Kübel erkennen können, sind die Basis für “Smart Waste Management”. Der steirische Entsorger Saubermacher, weltweit tätig, ist ein Pionier in diesem Bereich. Schon seit einigen Jahren sind in einer Vielzahl von Kommunen smarte Mülltonnen wie Werkstoffscanner im Einsatz.

Sensoren scannen Müll beim Entleeren auf Stoffreinheit

Sensoren scannen Müll beim Entleeren auf Stoffreinheit / F: Saubermacher

Der Werkstoffscanner arbeitet mit künstlicher Erkennung zur optischen Mustererkennung, eine gemeinsame Entwicklung on TU Graz und Joanneum Research. Mittels Sensoren und Multispektralkameras wird z.B. erkannt, ob sich Glas oder Kunststoff im Restmüll befindet. Dies wiederum wird den Haushalten als Feedback gegeben, um sie zu besserer Trennung zu motivieren. Die smarte Mülltonne wiederum verfügt über einen Sensor, der den Füllstand der Tonne sowie die Temperaturentwicklung überwacht. Damit kann die Entleerung optimiert werden, was Fahrten und damit Belastung durch Verkehr verringert.

Brennende Mülltonnen

Aber die Temperatur in der Tonne? Immer häufiger finden sich Lithium-Batterien im Abfall, erklärt Saubermacher — und diese können zu Überhitzung und Brand führen, ein Problem mit dem sich Müllentsorger (und freiwillige Feuerwehren) immer häufiger herumschlagen müssen. Die Saubermacher-Vision: Zero Waste, allen Abfall zu Rohstoffen zu machen. “Wir werfen im Schnitt sechsmal am Tag etwas weg. Im Labor arbeiten wir bereits daran, dass bereits der Mistkübel in der Wohnung schreit, wenn etwas Falsches eingeworfen wird”, sagte Ralf Mittermayr, CEO von Saubermacher bei der Vorstellung vernetzter Projekte vor einiger Zeit in Wien.

Zur Umsetzung dieser Vision gehören sehr wesentlich auch industrielle Partnerschaften wie die mit dem Leiterplattenhersteller AT&S. Als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie des High-Tech-Unternehmens sollen Produktionsabfälle im Unternehmen so weit wie möglich reduziert werden und einer Wiederverwertung zugeführt werden — so wie bei der Rückgewinnung von Kupfer aus dem Produktionsprozess (das AT&S Blog berichtete). Unter anderem werden bei diesem Zero-Waste-Projekt mit Saubermacher im Unternehmen smarte Mülltonnen dauerhaft installiert. Da die Entleerung nur noch nach Bedarf erfolgt werden bereits in der Anfangsphase 10 Arbeitsstunden im Monat gespart — die anderswo für besseres Abfallmanagement eingesetzt werden können.

Zukunftsweisend für “Zero Waste” bei der rasch wachsenden Menge an Lithiumbatterien aus E-Fahrzeugen ist die Nutzung gebrauchter Autobatterien als stationärer Speicher. Denn Lithium-Ionen-Akkus aus E-Autos werden bereits bei einem Absinken auf 80 Prozent ihrer Leistung ersetzt. Dabei verfügen sie noch über genau Energie für Speicheranwendungen und können noch viele Jahre Dienst als stationärer Stromspeicher tun. In einem Pilotprojekt von Saubermacher, gemeinsam mit steirischen Forschungseinirichtungen, dienen die geprüften und neu verkabelten Altbatterien der Abdeckung von Spitzenlast beim Hochfahren einer Recyclinganlage, was eine Überlastung des Netzes verhindert.

Veröffentlicht am: 16. Februar 2022

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