Kleiner, leichter, effizienter: Satellitenboom auf Sputniks Spuren
Als am 4. Oktober 1957 mit dem Sputnik der erste Satellit am Himmel erschien brach auf Erden die Hölle los. Westliche Politiker und Militärs standen unter „Sputnikschock“: Niemand hatte damit gerechnet, dass die Sowjetunion die Amerikaner im Rennen um den ersten Erdtrabanten schlagen würden. Am nächtlichen Himmel konnte der kugelförmige, reflektierende Erdtrabant mit bloßem Auge gesehen werden, seine Kurzwellensignale konnten von Amateurfunkern wie militärischen Einrichtungen empfangen werden.
Helmut Spudich
Seit dem Start von Sputnik vor 65 Jahren hat die Weltraumfahrt nicht nur Menschen zum Mond gebracht und mit der internationalen Raumstation ISS die erste extraterrestrische Kolonie der Menschheit ständig besiedelt. Aus dem geopolitischen Wettlauf zum Mond wurde zuletzt ein kommerzieller Wettlauf um die erste Mission zum Mars. Den unbestreitbar größten Nutzen des himmlischen Wettbewerbs brachten jedoch „Sputniks“ (der russische Begriff für Satellit). Die Palette der Anwendung reicht von kommerzieller Kommunikation, Erdbeobachtung und Navigation bis zu militärischer Aufklärung.
Jetzt steht die Zahl der künstlichen Himmelskörper vor einem Riesensprung. Noch in diesem Jahrzehnt soll ein Vielfaches der rund 9000 Satelliten, die seit Sputnik 1 ins All geschossen wurde, die Erde umkreisen. Allein die Pläne von Space X, dem Raumfahrtunternehmen von Elon Musk, dem britischen OneWeb, Telesat und das Amazon-Projekt Kuiper sehen über 46.000 Satelliten in den nächsten Jahren vor. Dazu gibt es eine Reihe weiterer etablierter Player wie Airbus, Boeing, Lockheed Martin oder Thales, die seit langem im Satellitengeschäft sind. Und alle paar Monate gibt es Nachrichten über Newcommer im Space-Business. So erklärte vor kurzem der größte chinesische Autohersteller Geely, zu dessen Marken u.a. Volvo zählt, ein eigenes Satellitennetz errichten will.
Niedrige Umlaufbahn
Die Hauptanwendung dieser riesigen Satellitennetze in niedrigen Erdumlaufbahnen (LEO, Low Earth Orbit, bis zu 2000 Kilometer Höhe, im Gegensatz zu GEO, geostationären Satelliten in 36.000 Kilometer Höhe über dem Äquator) wird in kommerzieller Kommunikation liegen — vor allem Breitband-Internet. Starlink, das Satellitennetz von SpaceX, erweckte vor einigen Monaten Aufmerksamkeit, als es die Internetversorgung der Ukraine im Krieg sicher stellen konnte. In den USA kooperiert Starlink mit T-Mobile für 5G-Internet in Regionen mit schwacher terrestrischer Versorgung. Insgesamt ist Starlink-Internet bereits in 32 Ländern verfügbar.
Durch die Weiterentwicklung der Satellitenantennen und der Verwendung der Mobilfunktechnologie 5G werden bald 5G-Endgeräte die Satellitennetze direkt und ohne eigene Antenne nutzen können. Bisher schlecht versorgte Regionen werden so Breitbandzugang erhalten.
Geely will hingegen sein Netz ausschließlich für IoT, das Internet der Dinge, verwenden — Navigation und Logistik für seine Fahrzeugflotten, von Autos und LKWs bis zu Highspeed-Zügen und Passagierdrohnen.
Sinkende Transportpreise
Zwei wesentliche Faktoren treiben den neuen Satellitenboom an. Einerseits der erfolgreiche Eintritt privater Anbieter für den Transport ins All, wie SpaceX, das inzwischen reguläre Astronautenflüge zur ISS für die NASA durchführte. 1981 kostete es fast 100.000 US-Dollar, um ein Kilogramm Last mit dem Space Shuttle ins All zu bringen, 2020 schafft dies SpaceX um weniger als 1000 US-Dollar. Das ambitionierte, aber realistische NASA-Ziel für 2040: Einige zehn Dollar pro Kilogramm Last.
Der andere entscheidende Faktor: Die Generation der jetzt und künftig gebauten Satelliten ist um ein Vielfaches kleiner und leichter als bisherige Trabanten. Wo lange Zeit nur ein Satellit als „Payload“ befördert wurde, werden heute viele Satelliten auf einmal transportiert. Im August 2020 beförderte eine SpaceX Falcon 9 gleichzeitig 61 Satelliten ins All, während alle Bestandteile der Rakete für den weiteren Gebrauch zur Erde zurückkehrten. Der drastische gesunkene Transportpreis pro Kilo erhält so einen weiteren Hebel — denn jedes Kilo Last ist gleichzeitig vielfach nützlicher als zuvor, erklärt Erich Schlaffer, Programmmanager für den Bereich Hochfrequenz und High Speed, der bei AT&S das Projekt zur Entwicklung hoch integrierter Leiterplatten für Satelliten leitet.
AT&S-Komponenten reduzieren Gewicht, Größe
Wie bei allen elektronischen Produkten ist fortschreitende Miniaturisierung und höhere Leistung aller Bauteile der Schlüssel, damit viele Satelliten inzwischen nur noch Paketgröße haben. Gleichzeitig wird die Datenübertragungsrate der Kommunikationssatelliten enorm gesteigert, erklärt Schlaffer. Für diese komplexe Aufgabe entwickelt AT&S zusammen mit seinen Kunden die komplexen Schaltungen, um tausende Komponenten in einer singulär produzierten Einheit zusammen zu fassen. Der „Trick“ dabei, so Schlaffer, ist einerseits wesentlich höhere Effizienz und Integration der Leiterplatten. Aktive und passive Bauelemente werden bereits mit den Platten verbaut, statt in einem weiteren Produktionsschritt aufgelötet zu werden. Andererseits werden mehrere Leiterplatten dreidimensional — in der Fachsprache entlang der Z-Achse — „gestapelt“ und elektrisch leitend miteinander verbunden.
Dazu kommt eine spezielle Herausforderung von Weltraumtechnologie: jedes Risiko von Ausfällen einzelner Bauteile extrem reduzieren, da eine Reparatur unmöglich ist. „In den Leiterplatten werden tausende Komponenten verbaut. Damit wir die Risiken minieren müssen wir jede einzelne Komponente zurückverfolgen können und wissen, wo sie am Endprodukt verbaut ist. So kann man einschätzen, welches Risiko ein Ausfall bedeuten würde. Dazu mussten wir die nötige Software entwickeln, damit diese Risiken beim fertigen Produkt verfolgt werden können.“
Das Ergebnis der intensiven Entwicklungsarbeit ist „nicht irgendein Bauelement, sondern ein Schlüsselelement für den Satelliten“, betont Schlaffer. Statt mehrerer hundert Kilogramm wiegt das System nur noch knapp unter 7 Kilogramm, die Größe schrumpfte um ein Vielfaches.
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