Holografische Telepräsenz bringt uns dem Raumschiff „Enterprise“ einen großen Schritt näher

 „Beam me up, Scotty“: Dieses Kommando Captain Kirks in der Science-Fiction-Serie Star Trek an seinen Chefingenieur, um mittels Teleportation sein Raumschiff zu erreichen, wurde zu einem geflügelten Wort der Popkultur. Jetzt ermöglicht lebensechte, dreidimensionale Virtualität globale Präsenz, ohne je in einen Flieger einsteigen zu müssen. Eine verlockende Alternative in Zeiten von Corona.

Helmut Spudich

Der Wunsch binnen weniger Sekunden an einen anderen Ort zu gelangen: Zwar wären uns manche heutige Alltagstechnologien noch vor einem halben Jahrhundert als pure Fantasie erschienen. Jedoch hat das Versprechen auf Teleportation weiterhin wenig Aussicht auf Verwirklichung in unserer Lebenszeit. Der Schauspieler William Shatner, der Captain Kirk spielte, wird übrigens im März 91 Jahre alt. Vergangenen Oktober ermöglichte ihm die Raumfahrtskapsel Blue Origin von Jeff Bezos seinen ersten tatsächlichen Flug ins All.

Oder wird Teleportation doch noch Realität? Beam me up: Auf einer Bühne in Los Angeles stehen drei Vortragende und erklären ihrem Publikum, wie ihr Produkt „Virtual Global Stage“ funktioniert. Ein Industrie-Event wie viele und keine besondere Angelegenheit – würden sich die Sprecher nicht mit charakteristischen Star-Trek-Effekt aus dem Nichts vor ihren Zuseherinnen und Zusehern materialisieren. Larry O’Reilly, CEO von ARHT Media, kommt aus Toronto zu seiner Präsentation und bringt Gäste aus London und New York City mit. In voller Größe und räumlicher Gestalt stehen sie auf der Bühne, führen im Wechselgespräch ihre Vorträge ab, beantworten Fragen aus dem Publikum.

Dabei haben die drei Speaker ihre Heimatorte nicht verlassen, um in Los Angeles aufzutreten. „HoloPresence“, die von ARHT Media entwickelte Technik, „beamt“ sie aus Studios in Toronto, London und New York lebensgroß und dreidimensional auf eine richtige Bühne in Los Angeles. Die Sprecher selbst stehen vor einem Greenscreen, einem grünen Hintergrund, wie er in TV- und Filmproduktionen verwendet wird, um die Gestalt losgelöst von jedem Hintergrund zu filmen. Eine spezielle Videokamera ermöglicht die dreidimensionale Aufnahme, zu Füßen des Sprechers zeigen ihm große Displays das Publikum, seitliche Displays zeigen weitere Sprecher auf der Bühne — so ist eine direkte Interaktion sowohl mit den anderen Vortragenden als auch mit Fragen aus dem Publikum möglich.

Lebensgroße virtuelle Präsenz

Zurück auf der Bühne werden die Sprecher dreidimensional in Lebensgröße projiziert. Hier kommt die spezielle, von ARHT Media entwickelte Technik ins Spiel: Es braucht keine spezielle Brille, um die Dreidimensionalität zu erzeugen. Tatsächlich ist es möglich, von einer Seite des Saales auf die andere zu wandern und dabei die Personen in jeweils unterschiedlicher Perspektive zu sehen. Für einen Sehwinkel von 130 Grad, sagt O’Reilly, sei es derzeit möglich, den 3D-Effekt zu erhalten, künftige Updates werden dies noch erweitern. Der zweite technische Trick ist die Verringerung der Latenzzeit – die Reaktionszeit bei der Übertragung des digitalen Streams – gegen Null, so dass keine künstlichen Pausen bei den Gesprächen zwischen den Beteiligten an unterschiedlichen Orten entstehen.

Tatsächlich ist der Effekt der virtuellen Präsenz verblüffend lebensecht und übertrifft bei weitem, was man von Videoschaltungen auch bei ausgezeichneter Qualität kennt. Man vergisst als Zuschauerin und Zuschauer, dass die Person nicht physisch präsent ist. Im Gegenteil, die Aufmerksamkeit des Publikums würde sich sogar erhöhen, sagt O’Reilly: Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Unterhaltungseffekt dazu führt, dass das Publikum intensiver an Vorträgen teilnehme. Nur Eingeweihten, die über das Aufnahmesetting Bescheid wissen, fällt allenfalls auf, dass sich die Vortragenden nicht wesentlich von ihren Positionen auf der Bühne entfernen, sondern buchstäblich in ihrem Rahmen bleiben – ein Wechsel von einer Seite der Bühne zur anderen wäre nur durch erneutes Beamen möglich.

Virtuelle Konferenzen haben in der Corona-Zeit einen großen Schritt gemacht. Mit HoloPresence von ARHT stoßen sie buchstäblich in die nächste Dimension vor. Noch ist es eine relativ exklusive Form der Telekonferenz, räumt auch CEO O’Reilly ein: „Unsere Kunden sind globale Unternehmen, die damit interne High-Level-Konferenzen abhalten oder ihren Kunden internationale Experten zugänglich machen.“ Oder der Green Fashion Award, der von der Modeindustrie 2020 mangels Reisemöglichkeit von prominenten Präsentatoren aus aller Welt verliehen wurde — deren Präsenz jeweils virtuell war.

Wie bei allen digitalen Technologien sinken auch bei HoloPresence die Kosten sehr rasch. O’Reilly, der zuvor CEO der IMAX Corporation war, hat in einem (virtuellen) Workshop des EU-Projekts „Living Innovation“ an der Wiener Wirtschaftsuni Zahlen: Als er vor drei Jahren zu ARHT kam, lagen die Kosten, um eine Person an einen anderen Ort zu beamen, bei rund 85.000 US-Dollar – jetzt sind es 12.000 Dollar. Stellt man dem die Kosten eines Business-Langstreckenflugs, Hotel und vor allem den mehrtägigen Zeitaufwand für eine Präsentation von zwei, drei Stunden gegenüber, ist die HoloPresence schon heute in vielen Bereichen die kostengünstigere Variante – in Hinblick auf den ökologischen Fußabdruck gewinnt sie das Rennen bei weitem.

Weitere Information zu HoloPresence finden Sie bei ARHT Media.

Veröffentlicht am: 10. Februar 2022

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