Wie Autobatterien als Bausteine für Autos und Stromnetze noch richtig sexy werden
Autobatterien werden oft als Achillesferse der Transformation vom Verbrenner- zum E-Auto abgetan: Zu schwer, zu wenig Speicher. Doch durch die Integration in die tragende Autokonstruktion sparen Autobauer Gewicht und Volumen bei erhöhter Reichweite. Und Netzbetreiber sehen die Batterien landesweiter Autoflotten als künftige Stromspeicher, um Spitzenlast in Stromnetzen bereitzustellen.
Helmut Spudich
Batterien – im Deutschen immer noch gerne als Akkus bezeichnet – werden unverdienter Weise oft eher als Minus denn als Plus der Elektromobilität angesehen. Zu wenig Reichweite bei zu hohem Gewicht: Diese Klage ist für E-Bikes ebenso wie E-Autos oder E-Drohnen meist zu hören. Aber die Zukunft von Autobatterien verspricht in den nächsten Jahren eine nachhaltige Änderung der Konstruktion von E-Autos.
Der E-Pionier Tesla ebenso wie der chinesische Autoproduzent BYD Auto und der chinesische Batteriehersteller CATL – mit fast einem Drittel Marktanteil der weltweit größte Batterie-Hersteller – arbeiten daran, dass Batteriezellen sowohl Strom speichern können als auch stark genug sind für die tragende Konstruktion des Automobils selbst. “Cell-to-pack”, “cell-to-body” und “cell-to-chassis” heißen die Zauberworte der neuen Entwicklung, beschreibt Euan McTurk, Elektrochemiker bei Plug Life Consulting, im Magazin Wired den Zukunftstrend. Damit können Batterien effizienter im Auto verteilt werden. “Das ultimative Batterie-Pack wäre eines, das zu hundert Prozent aus aktivem Material besteht. Das bedeutet, dass jeder Teil der Batteriezelle Energie speichert und wieder abgibt.”
Herkömmliche Batterien für E-Autos verbinden Batteriemodule in Batterie-Packs zu einer Einheit. Dabei geht oft viel Platz zwischen den Modulen verloren. Künftig sollen die Batterien statt in Module direkt in das Pack eingesetzt werden. Damit kann bei geringerem Raumbedarf eine höhere Leistung erzielt werden. Der Hersteller CATL (Contemporary Amperex Technology), der auch ein Werk in Deutschland betreibt, verspricht durch die gewonnene Leistung im kleineren Pack Reichweiten bis zu 1000 Kilometer. Kleinere Batterie-Packs lassen obendrein den Passagieren und ihrem Gepäck mehr Raum.
Batterien mit Klebstoff stärken
Tesla setzt auf “cell-to-body”, der Integration der Autobatterie in die Karosserie des Fahrzeugs. Tesla-Gründer Elon Musk vergleicht diese Technik mit der Konstruktion eines modernen Flugzeugflügels: Statt Treibstofftanks in den Flügel einzubauen, werden Treibstofftanks in der Form eines Flügels gebaut. In ähnlicher Weise sollen würden künftig Batterien als Autoteile gebaut werden.
Das Geheimnis dieser Entwicklung ist ein Klebstoff. Batteriezellen werden heute zu Packs mittels eines Klebstoffs verbunden, der zusätzlich feuerhemmend wirkt. Tesla hat einen Klebstoff entwickelt, der zusätzlich eine stärkende Funktion hat. Die Erfindung ermöglicht es, dass die Batterien auch Last im Auto tragen können, während das Chassis die Batteriezellen schützt. Durch den Entfall des Packs werden Gewicht sowie die Anzahl der Teile reduziert, die für ein Auto produziert werden müssen. Erste Fahrzeuge in dieser Bauweise will der chinesische Autobauer Leapmotor noch 2022 auf den Markt bringen.
Die größere Effizienz wird jedoch auch neue, noch unbekannte Probleme mit sich bringen, etwa bei der Reparatur beschädigter Fahrzeuge sowie der Entsorgung der Batterien. Eine derzeit genutzte Möglichkeit wird verloren gehen: Die Verwendung von Autobatterien, deren Leistung für das Fahrzeug nicht mehr ausreicht, als stationäre Stromspeicher für Stromnetze.
Netzspeicher auf Räder
Mit dem bevorstehenden Verkaufsverbot für Verbrennermotoren werden große Flotten von E-Autos mit enormen Speicherkapazitäten unterwegs sein. Wobei Autos in erster Linie stehen und nicht fahren: Das bringt die Betreiber von Stromnetzen auf den Gedanken, zum Ausgleich von Spitzenlast auf die Speicherreserven von E-Autos zurückzugreifen.
Einen Vorgeschmack gibt der Pickup-Truck F150 von Ford, der heuer auf den Markt gekommen ist. Der vollgeladene Batteriespeicher des F150 soll ein Einfamilienhaus mit Strom für drei Tage versorgen können. Dies kann eine individuelle Strategie gegen einen Stromausfall sowie die Nutzung eigener Stromerzeugung mittels Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach sein. Netzbetreiber denken hingegen noch weiter. Für sie werden Elektromobile zum Teil ihrer Infrastruktur beim Einsatz erneuerbarer Energie. Getankt wird zu Zeiten eines Stromüberschusses, etwa wenn Windanlagen in der Nacht mehr Strom erzeugen als benötigt wird. Entnommen wird dagegen, um Spitzenlast im Netz auszugleichen.
In der Hitzewelle 2022 zeigte sich bereits jetzt, wie Batteriespeicher den Einsatz zusätzlicher thermischer Kraftwerke unnötig macht. In den letzten fünf Jahren hat der Netzbetreiber CISO (California Independent Systems Operator) seine Speicherkapazitäten auf sechs Prozent des Strombedarfs ausgebaut, was dem Volumen eines Atomkraftwerks entspricht. Diese Speicher haben die Spitzenlast in der “Golden Hour” ausgeglichen, wenn abends die Kalifornier nach Hause kommen und ihre Klimaanlagen aufdrehen und in den Haushalten der Stromverbrauch sprunghaft steigt.
Bidirektionale Ladestationen
Während die Bedeutung von Netzspeichern weiterhin wachsen wird, bilden die “Batterien auf Rädern” hier neues Potenzial. Dazu müssen E-Autos und ihre Ladestationen allerdings einen neuen Trick lernen. Derzeit wird beim Ladevorgang aus Wechselstrom Gleichstrom für die Autobatterien hergestellt. Die umgekehrte Richtung, aus Gleichstrom wieder Wechselstrom zu machen (V2G, vehicle to grid), beherrschen jedoch erst sehr wenig Ladestationen und die Installation solcher bidirektionalen Einrichtungen ist teuer.
Weltweit gibt es derzeit erst rund 100 solcher V2G-Pilotprojekte, die meisten davon in Europa. Das Potenzial ist jedoch enorm: Die globale Zahl der E-Autos wird bis zum Jahr 2030 auf 200 Millionen Fahrzeuge geschätzt. Ihre Kapazität würde ausreichen, dass regionale Stromversorger ihr Netz damit drei Tage betreiben könnten.
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