Norwegen führt den Kippeffekt bei E-Autos vor

Noch wird darüber diskutiert, ob es für die Einführung von E-Autos einen staatlich festgelegten Zeitpunkt geben soll. Norwegen zeigt, dass dies wahrscheinlich überflüssig ist: Zuletzt waren bereits über 70 Prozent aller PKW elektrisch angetrieben, Benzin und Diesel sind aussterbende Arten.

Helmut Spudich

Wer einen Blick in die Zukunft des E-Autos machen will kann dies in Norwegen bereits in der Gegenwart tun. Seit jeher war das skandinavische Land trotz schwieriger Bedingungen ein Vorreiter bei der Umstellung des Straßenverkehrs auf CO2-freie Elektromobilität: Lange Strecken außerhalb des südlichen Ballungsraums rund um Oslo und eisige Temperaturen über viele Wintermonate sind für E-Autos harte Herausforderungen. Dazu kommt die Paradoxie, dass Norwegen mit Nordsee-Öl reich geworden ist und seine Einwohner leicht mit billigem Brennstoff versorgen könnte.

Aber Norwegen ist anders: Mit einem Anteil von zwei Drittel aller Neuzulassungen im Jahr 2021 haben E-Autos unbestreitbar den Straßenverkehr übernommen. Verbrennungsmotoren sind eine aussterbende Spezies: Unter zehn Prozent liegt der Anteil von Benzin und Diesel bei den Neuzulassungen, der Rest sind Hybridautos. Gegen Jahresende stieg der E-Anteil sogar über die Marke von 70 Prozent.

Diese Entwicklung ging in rasantem Tempo von sich und gibt Hinweise darauf, wie sich die Umstellung auf E-Mobilität in anderen Ländern gestalten könnte. Wer wissen will, wie ein Kippeffekt aussieht, muss nur die norwegische Zulassungsstatistik studieren. 2015 war das Verhältnis fast umgekehrt, Benzin und Diesel dominierten mit 71 Prozent bei Neuzulassungen, Elektroautos kamen auf 17 Prozent des Marktes. Dann legten vorwiegend Hybridantriebe auf Kosten reiner Verbrennungsmotoren zu, bis 2018 bei E-Autos der kräftige Wachstumsschub einsetzte und 2020 erstmals mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen erreichte.

Aufholjagd könnte schneller werden

Österreich stand in Sachen E-Autos 2021 etwa dort, wo Norwegen 2015 war. Der Anteil an rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen erreichte knapp 14 Prozent, Hybridfahrzeuge rund 24 Prozent, womit reine Verbrennungsmotoren noch immer die Mehrheit stellen. Damit liegt Österreich bei E-Neuzulassungen an dritter Stelle hinter Spitzenreiter Schweden (16,4 Prozent) und den Niederlanden. Deutschland liegt ähnlich wie Österreich, und die Dynamik für EV (Electric Vehicles) nimmt zu, im November 2021 übertraf ihr Marktanteil bereits mit 20 Prozent den der Dieselfahrzeuge.

Die Entwicklung zum E-Fahrzeug könnte in vielen europäischen Märkten jetzt sogar noch rascher von sich gehen als in Norwegen in den 2010-er Jahren: Dort waren es zunächst hohe staatliche Förderungen (und hohe Besteuerung von Benzin- und Dieselautos, insbesondere im gehobenen Segment), die den Umstieg vorantreiben, und lange Zeit war der US-Hersteller Tesla die Nummer 1 im E-Markt. 2021 zeigte sich jedoch, dass ein wachsendes attraktives Angebot der meisten Hersteller den Umstieg beschleunigten, im Oktober fand sich Tesla nicht mehr unter den Top 10, die von Volkswagen angeführt wurde. Auch ein dichter werdendes Netz an leistungsstarken Stromtankstellen ist Teil des norwegischen Erfolgsrezepts – hier gibt es im „Rest“ von Europa noch großen Aufholbedarf.

Veröffentlicht am: 20. Januar 2022

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