Fokus AI: Wie Künstliche Intelligenz in unserem Gesicht lesen und Krankheiten erkennen kann
Für Mediziner:innen wie Patient:innen können KI-Systeme Gesundheit und schnellere Erkennung von Erkrankungen unterstützen. Noch ist vieles im Forschungsstadium. Aber vom Einordnen von Symptomen durch Apps bis zur frühen Erkennung von Parkinson und Diagnose von Atemnotsyndrom durch Hustenaufnahmen gibt es breite Anwendungsmöglichkeiten. Technologie von AT&S macht die Datenzentren, auf denen KI-Systeme trainiert und betrieben werden, leistungsfähiger und hilft, den Energieverbrauch zu senken.
Helmut Spudich
Unter den zahllosen Berichten über Künstliche Intelligenz (KI) im allgemeinen und ChatGPT im Besonderen fand sich vor einigen Wochen dieser: „ChatGPT bestand die Prüfung zum Facharzt für Radiologie (knapp)“. Forscher:innen des Toronto General Hospital hatten das KI-System einem Multiple Choice Test mit 150 Fragen unterzogen, wie sie vom Canadian Royal College und dem American Board of Radiologists für die Zulassung als Radiologe bzw., Radiologin verwendet werden.
Die Studie analysierte die Ergebnisse auf Stärken, meist bei allgemeinen medizinischen Fragen, und Schwächen, die vor allem bei komplexeren radiologischen Konzepten auftraten. Das ist wenig verwunderlich, da die KI nicht speziell für medizinische Aufgaben trainiert worden ist und für die Prüfung quasi aus ihrem „Allgemeinwissen“ schöpfte. Folgt man anderen Bereichen des Einsatzes von KI ist dies zu erwarten: Mit speziellem Training und Feedback über falsche Ergebnisse lernt das KI-System laufend dazu (wie auch Menschen). Man kann annehmen, dass die so trainierte KI in einigen Jahren den Test mit fliegenden Fahnen bestehen und sich als Assistent für Radiologie nützlich machen wird.
Befunde erklären
Der Gesundheitssektor zählt zu den gesellschaftlichen Bereichen, der von der rasanten Entwicklung Künstlicher Intelligenz vielfältigen Nutzen ziehen kann. Bleiben wir zunächst auf der Seite von Patient:innen, die für ihre Gesundheit auch selbst Verantwortung übernehmen. In einem Selbsttest habe ich GPT-4 gebeten, einen Blutbefund zu erklären, wie er im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen von Labors für den Facharzt oder die Fachärztin erstellt wird.
Eine Tabelle mit Daten des Bluttests, deren Sinn sich üblicherweise nur der Ärztin oder dem Arzt erschließt, kam in verständlicher Sprache zurück. Das System erklärte die Bedeutung der einzelnen Werte und ihre Einordnung im normalen oder abweichenden Bereich. Dort, wo ein Wert außerhalb der üblichen Verteilung lag, erklärte GPT, was das bedeutet, wie besorgniserregend es ist, und welche möglichen Anpassungen in der Ernährung oder bei Medikamenten helfen könnten – nicht ohne deutlichen Hinweis, dass dazu eine Ärztin oder ein Arzt zu konsultieren sei.
Zahlreiche Apps bedienen bereits den Wunsch, die Bedeutung von Symptomen zu erkennen, ohne dass man gleich eine oft überfüllte Arztpraxis aufsucht. „K Health“ grüßt seine (registrierten) User mit der Frage „Was stört Dich?“. Anschließend führt die App im Dialog eine ausführliche Anamnese durch, die weit über die möglicherweise enge Beschreibung am Anfang hinausgeht. Diese Angaben werden dann mit Gesundheitsdatenbanken abgeglichen, um – mit Wahrscheinlichkeiten ausgewiesene – Auskunft über die mögliche Bedeutung der Symptome zu geben. Dies lässt sich anschließend per Videocall mit einer Ärztin oder einem Arzt besprechen (derzeit nur in den USA verfügbar). Andere Apps nutzen die Smartphone-Kamera, um Hautausschläge im Abgleich mit Bilddatenbanken zu diagnostizieren. Das kann einerseits der Hautpflege dienen, andererseits mögliche Melanome frühzeitig erkennen, um medizinische Hilfe zu suchen.
Frühzeitige Parkinson-Erkennung
Auf medizinischer Seite eröffnet der Einsatz von KI zahllose neue Chancen. Beispielhaft nur drei Entwicklungen, an denen derzeit geforscht wird. Das eine betrifft die frühzeitige Erkennung von Parkinson, einer Krankheit, die derzeit nicht heilbar ist, aber deren Folgen bei früher Behandlung verzögert werden können, um Lebensqualität und Lebensdauer zu erhöhen. Im Rahmen des EU-Projektes „i-Prognosis“ an der Aristoteles Universität in Thessaloniki erheben Forscher:innen mit Hilfe einer App zahllose gesundheitsbezogene Userdaten von Smartphones und Smartwatches: Schrittlänge, Stabilität der Hand beim Schreiben und Benutzen des Smartphones, Charakteristik der Stimme, Gesichtsausdruck der Person auf Fotos, emotionaler Gehalt von Messages und mehr. Aus den Daten von rund 5000 Studienteilnehmer:innen wollen die Forscher:innen ein KI-basiertes Programm entwickeln, das User beim Erkennen möglicher Parkinson-Symptome warnen kann.
In Verbindung mit Gesichtserkennung wird von Forscher:innen des Johns Hopkins Hospitals ebenso wie am MIT (Massachusetts Institute of Technology) ein KI-System dafür trainiert, Schlaganfälle oder ALS, eine zu Muskelschwund führende degenerative Nervenerkrankung, zu erkennen. Solche Facescans können von einer Ärztin oder einem Arzt bei einer Untersuchung verwendet werden, oder auch von Usern mit ihren Smartphones zu Hause gemacht werden. Möglich wären sogar in Spiegel eingebettete Kameras. Forscher:innen haben große Hoffnung, dass Facescans auch die Erkennung einer Reihe von anderen Beeinträchtigungen ermöglicht.
Husten verrät Atemnotsyndrom
Eine andere Entwicklung zeigt, wie Smartphones in Verbindung mit KI viele Möglichkeiten für die medizinische Diagnostik eröffnen. Die Analyse von Hustengeräuschen kann durch dafür trainierte KI-Systeme helfen, respiratorische Erkrankungen zu erkennen. Weltweit ist Atemnotsyndrom (ARDS) eine der führenden Todesursachen von Kindern. Die vom Massachusetts General Hospital entwickelte App „ResAppDx“ könnte Röntgen, CT-Scans und andere Tests ersetzen, die in vielen ärmeren Ländern nicht leicht verfügbar sind.
All dies sind frühe Anwendungen, die sorgfältig untersucht und weiterentwickelt werden müssen. Sie zeigen jedoch, wie KI sowohl auf Patient:innen- als auch Mediziner:innenseite Unterstützung und bessere Behandlungsmöglichkeiten eröffnet. Für Gesundheitssysteme, die weltweit an Personalmangel leiden und unter Kostendruck stehen, ist das eine gute Nachricht.
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