Die lange (Liefer-) Kette, aus der Nachhaltigkeit entsteht

Ob es um ein T-Shirt, das neueste Smartphone oder ein Auto geht: Nachhaltige Produkte lassen sich nur herstellen, wenn der ökologische Fußabdruck der gesamten Lieferkette die Nachhaltigkeitsprüfung besteht. Global agierende Unternehmen wie AT&S sind aufgrund unzähliger Auflagen in den unterschiedlichsten Wirtschaftsräumen besonders gefordert.

Helmut Spudich

Produkte wie Smartphones oder Smart Speaker werden aus hunderten Rohstoffen und Komponenten gebaut. Und nicht selten machen diese Bauteile ebenso wie die fertigen Produkte Reisen um die ganze Welt. Die Pandemie hat die Anfälligkeit dieser Lieferketten durch Produktionsausfälle und lange Wartezeiten eindringlich vorgeführt. Dabei sind globale Lieferketten bei elektronischen Geräten und Bauteilen die Regel, nicht die Ausnahme.

Darum muss bei der Entwicklung nachhaltiger Produkte auch diese Lieferkette bis zum kleinsten Zulieferer nachhaltig sein. Von Emissionen bis zur Verwendung von Chemikalien und Rohstoffen, für alle Teilnehmer an dieser Lieferkette steigen die regulatorischen Vorgaben, um den ökologischen “Footprint” zu reduzieren. Die Reduktion von CO2-Emissionen, einer der größten Faktoren des Klimawandels, in Produktion und Transport ist dabei nur ein Faktor. Bei der Produktion von Halbleitern und anderen elektronischen Bauteilen kommen viele Rohstoffe und Chemikalien zum Einsatz, die zu hohen Belastungen der Umwelt führen können.

“Als Lieferant zentraler elektronischer Bauteile stehen wir zwei Anforderungen gegenüber”, erklärt Thomas Rossmann, der bei AT&S für die Umsetzung der EU-Chemikalienrichtlinien REACH und RoHS zuständig ist, gegenüber dem AT&S-Blog. “Einerseits müssen wir alle gesetzlichen Anforderungen von Stofflisten nicht nur in der EU erfüllen, sondern auch in Asien und allen anderen Regionen, in denen wir tätig sind. Andererseits haben vor allem große Kunden ihre eigenen Stoffbeschränkungslisten, die teilweise weit über das hinausgehen, was von Gesetzgebern noch erlaubt wird.” Viele Kunden würden inzwischen selbst auferlegte schärferer Richtlinien einhalten, sagt Rossmann. Sie befolgen damit den steigenden grünen Druck von Konsumenten und Umweltschutzorganisationen.

Datenbank für jede Komponente jeden Produkts

In der EU sind REACH und RoHS die beiden Eckpfeiler des Schutzes von Menschen und Umwelt vor schädlichen Chemikalien. Das eine – RoHS, Restriction of Hazardous Substances — erfasst gefährliche Substanzen und kontrolliert den Umgang und das Ausmaß zulässiger Belastung, vom Produktionsprozess über die fertigen Produkte bis zur Entsorgung. Das andere – REACH, Registration, Evaluation, Authorization and Restriction of Chemicals — verpflichtet Unternehmen zu streng geregelten Prozessen und einer detaillierten Dokumentation zur Erfüllung der durch RoHS festgelegten Standards, die laufend weiter verbessert werden müssen.

“Basismaterialien werden für die Fertigung zugekauft. Dazu müssen wir alles kennen, welche Stoffe es gibt, welche Eigenschaften sie haben, was verboten ist, und müssen dies mit unseren Lieferanten bewerten, um die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen”, sagt Rossmann. Ohne Software und Datenbanken wäre dies unmöglich: “Wir führen ein Rechtsregister, in dem wir die Bestimmungen für hunderte Stoffe in dutzenden gesetzlich unterschiedlich geregelten Ländern und Regionen der Welt zusammenführen.” Das ermögliche es auch, Kunden Alternativen anzubieten, wenn sie über gesetzliche Vorgaben hinausgehen wollen.

Die Komplexität der weltweit unterschiedlichen Vorgaben erklärt Rossmann anhand einer an sich nur in Kalifornien geltenden Bestimmung, die unter “California Proposition 65” — der “Safe Drinking Water and Toxic Enforcement Act” — bekannt ist. Dieses bereits 1986 verabschiedete Gesetz soll Trinkwasser vor schädlichen Substanzen, vor allem krebsfördernden Stoffen, schützen. Auf Basis der “CP65” führen kalifornische Behörden laufend aktualisierte Stofflisten, an die Hersteller oder Verkäufer von Produkten gebunden sind, wenn sie in Kalifornien tätig sind. “Auch wenn wir in Europa produzieren müssen wir diese Bestimmungen im Auge behalten. Unsere Kunden fordern von uns die entsprechenden Bestätigungen ein. Das ist auch Bestandteil unserer Verträge und unsere internen Datenbanken bilden genau ab, welche Bestätigungen Kunden zusammen mit den gelieferten Leiterplatten bekommen müssen.”

Strom aus erneuerbarer Engergie

Solarenergie für das neue AT&S Hightech-Werk in Kulim, Malaysia

Solarenergie für das neue AT&S Hightech-Werk in Kulim, Malaysia

Im Energiebereich werden Anforderungen globaler Konzerne an ihre gesamte Lieferkette bereits deutlich verstärkt. So haben unter anderem Microsoft und Apple im Vorjahr erklärt, dass ihre Produkte über die gesamte Lieferkette bereits bis 2030 “carbon neutral” sein sollen — also CO2-frei produziert werden. Wo in diesem Prozess weiterhin Emissionen entstehen müssen Kompensationen durch Decarbonisierung vorgesehen werden. AT&S hat sich das Ziel gesetzt, bis 2025 zumindest vier Fünftel seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken, bis 2030 auf fossile Brennstoffe gänzlich zu verzichten.

Auch bei der Verwendung von Rohstoffen und Chemikalien — seit vielen Jahren ein Brennpunkt der Auseinandersetzung von Herstellern und Umwelt-NGOs — werden Bekenntnisse von Konzernen zu Nachhaltigkeit und Umweltverantwortung stärker. So hat Apple erklärt, Rohstoffe wie Aluminium, Kupfer, Zinn, Seltene Erden oder Kobalt zunehmend aus dem Recycling elektronischer Geräte zu gewinnen und damit den Abbau aus Krisen- und Kriegsgebieten zu reduzieren. Das niederländische Sozialunternehmen Fairphone will mit seinem gleichnamigen Smartphone ein Vorbild für Nachhaltigkeit bei der Verwendung von Rohstoffen sein. Dazu zählte auch, in Zusammenarbeit mit AT&S, die Verwendung von Gold aus nachhaltig betriebenen Minen in seinem “Fairphone 2”.

Ob für Emissionen, Rohstoffe oder verwendete Bauteile, die Schwierigkeit bei der Errichtung einer nachhaltigen Lieferkette bestehe darin, dass “jeder in der Kette eine andere Berechnungsgrundlage verwendet und der ökologische Impact derzeit nicht ganzheitlich berichtet werden kann”, sagt Rossmann. “Unser ambitioniertes Ziel ist es, dass wir für alle unsere Produkte ein Lifecycle Assessment liefern können, das bis zu jedem einzelnen verbauten Teil eine genaue Bewertung liefern kann”, quasi ein ökologischer Fußabdruck über die gesamte Lebensdauer auch der kleinsten Bauteile. Erst damit würde sich der Impact eines Produktes vom Anfang als Rohstoff bis zu seinem Ende in der Wiederverwertung — oder schlechter: auf der Müllhalde — erfassen lassen.

Veröffentlicht am: 27. Januar 2022

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