Autonome Roboter steuern Landwirtschaft in die Zukunft  

Während wir auf autonome E-Autos noch länger warten müssen, steuert die Landwirtschaft schon in die autonome Zukunft. Sensorgeladene Präzisionsroboter, mit künstlicher Intelligenz getrieben, bauen Pflanzen an, jäten Unkraut, bekämpfen Schädlinge mit minimalem Einsatz von Pestiziden und liefern Daten zur Optimierung der Landwirtschaft.

Helmut Spudich

Das Bevölkerungswachstum führt weltweit zum Druck auf die Landwirtschaft ihre Erträge zu steigern. Dem stehen steigende Kosten für die Schlüsselfaktoren Arbeit, Herbizide und Pestizide im Weg. Zunehmend setzen darum Farmen auf die vereinten Kräfte von Robotik und Künstlicher Intelligenz zur Entwicklung landwirtschaftlicher Präzisionstechnologien. Mit Feldrobotern sollen Kosten ebenso minimiert werden wie die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft.

Ausgerechnet im amerikanischen Mittelwesten, wo riesige Mais- und Sojafelder von ebenso riesigen Maschinen bewirtschaftet werden, arbeitet der Forscher Girish Chowdhary mit seinem Startup Earthsense an einer alternativen Zukunft. Künftig sollen Schwärme von Robotern in der Größe von Hunden im Schatten einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen durch die Felder wieseln. Die Feldroboter sollen Unkraut jäten, Deckfrüchte anbauen, Schädlingsbefall erkennen und ihren Landwirte Daten zur Optimierung des Anbaus liefern.

Statt zu immer größeren und anfälligeren Monokulturen zu führen, soll die komplexe Technologie dazu beitragen, dass kleinere Landwirtschaften mit größerer Diversität und geringerem Einsatz von Düngemittel und Pestiziden im Einklang mit der Natur profitabel wirtschaften können, sagt Chowdhary in einem Beitrag des Online-Magazins Undark. Indem sie Unkraut jäten statt es niederzuspritzen können Roboter zu früheren, nachhaltigeren Anbaumethoden zurückkehren. “Precision farming” ermöglicht landwirtschaftliche Methoden, die sonst nur mit hohem personellem Einsatz und damit verbundenen Kosten möglich sind.

Training für Bäume und Roboter

Landwirtschaft ist seit langem ein hoch-technisierter Bereich. Schon jetzt werden viele landwirtschaftliche Maschinen mit minimaler menschlicher Steuerung eingesetzt. Der Hersteller John Deere will im heurigen Jahr seine ersten gänzlich autonomen Traktoren auf den Markt bringen. Der Einsatz dieser teuren Maschinen ist jedoch auf Feldfrüchte wie Mais und Weizen begrenzt, deren Erlös die großen Investitionen rechtfertigen. Ertragsschwächere Gartenbaukulturen – Obst und Gemüse – brauchen jedoch weiterhin einen relativ hohen Einsatz menschlicher Arbeitskraft. Was Menschen sehr leicht fällt, wie einen reifen Apfel zu sehen und zu pflücken, ist für Roboter ein fast unmögliches Kunststück.

Der Zauberer im Gartenbau: Feldroboter Oz von Nato Technologies

Der Zauberer im Gartenbau: Feldroboter Oz von Nato Technologies / F: Naio

Weil es leichter ist einen Obstbaum beizubringen anders zu wachsen als einen Roboter zu trainieren sei für den sinnvollen Einsatz von Robotern oft eine Änderung des Anbaus nötig, erklärt George Kantor, Forscher am Carnegie Mellon Robotics Institute. Obstbäume würden beispielsweise so geformt, dass sie eine “Fruchtmauer” bilden, aus der Äpfel heraushängen, die dann von Robotern gut gepflückt werden können.

Europa hat dank seiner kleinflächigeren Landwirtschaften als in den USA gute Aussichten diese Entwicklung führend zu gestalten. Erst vor kurzem hat das französische Startup Naio Technologies den deutschen Innovationspreis für seinen Feldroboter Oz gewonnen (im Bild). Mit Oz können Landwirte eine breite Palette von Arbeiten abdecken: Bodenbearbeitung, Säen, Furchenziehen, Pflanzen, Hacken, Jäten, Eggen, Häufeln oder Transportieren. Für die Versorgung mit Strom entwickelt Naio zusammen mit dem Batteriehersteller Varta solare Ladestationen, zu denen der Roboter selbständig zurückkehrt.

Zwei weitere, größere Roboter von Naio Technologies sind seit diesem Frühjahr zur autonomen Anwendung in der EU entsprechend der European Machine Directive zertifiziert. Dino hat sich dem Jäten von Unkraut in großen Gemüsefeldern verschrieben, sowie Ted, der sich dem Weinbausektor verschrieben hat, können ohne menschliche Aufsicht völlig autonom arbeiten.

Großes potenzielle Wachstum für agrarische Roboter aller Art prognostiziert der Marktforscher MarketsandMarkets. Derzeit wird der Umsatz in diesem Bereich weltweit auf 4,9 Milliarden US-Dollar beziffert. Bis 2026 soll das Geschäfts mit landwirtschaftlichen Robotern auf rund 12 Milliarden US-Dollar wachsen. Noch dominieren in diesem Markt Drohnen und Melkroboter, sagt MarketsandMarkets. Künftig sollen jedoch Feldroboter a la Oz, Dino und Ted die Mehrzahl der bäuerlichen Helfer ausmachen.

Veröffentlicht am: 25. Mai 2022

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