Virtual First: AT&S setzt auf virtuelle Entwicklung

AT&S ist in der Elektronikindustrie ein Pionier, wenn es um die Einführung und Nutzung digitaler Werkzeuge bei der Entwicklung neuer Produkte und Prozesse geht. Das Unternehmen hat sich in den vergangenen zehn Jahren einzigartiges Wissen in den Bereichen Materialcharakterisierung und Simulation angeeignet, das den Kunden ermöglicht, teure Entwicklungsprozesse virtuell durchzuführen, anstatt langwierig und teuer physische Prototypen zu testen. Im Rahmen der großen EU-Förderprojekte iRel40 und IPCEI ME/CT wurde die virtuelle Produktentwicklung nochmals ausgebaut. iRel40 wurde 2024 erfolgreich abgeschlossen, IPCEI ME/CT läuft noch bis 2026.

„Die Elektronikindustrie hat ein etwas gespaltenes Verhältnis zur Materialphysik. In den meisten anderen Industriefeldern wird viel Wert darauf gelegt Werkstoffe und ihr Verhalten möglichst genau zu verstehen. Dieses Wissen wird dann in Simulationen verwendet, um die besten und haltbarsten Produkte umzusetzen. Im Gegensatz dazu ist die Elektronikindustrie heute immer noch sehr stark „build and test“ fokussiert. Wir wollten die Möglichkeiten moderner Simulationstools ebenfalls nutzen und haben vor zehn Jahren begonnen, entsprechende Kompetenzen und Kapazitäten aufzubauen. Heute sind wir in diesem Bereich das fortschrittlichste Unternehmen in der Branche“, erklärt Thomas Krivec, der in der AT&S Forschungs- und Entwicklungsabteilung für das Thema virtuelle Entwicklung verantwortlich ist.

AT&S hat sich durch zahlreiche Messungen und Analysen über die Jahre eine in der Branche einzigartige Materialdatenbank erarbeitet, in der die mechanischen, elektrischen und thermischen Eigenschaften der industrierelevanten Materialien exakt erfasst sind. „Unsere Datenbank umfasst die Metalle, Harze, Soldermasks, Lacke und Verbundwerkstoffe, die wir zur Herstellung von IC-Substraten und Leiterplatten benötigen. Diesen Informationsvorsprung nutzen wir, um Produkte in unseren Simulationen virtuell mit verschiedenen Materialkombinationen zu testen. Dadurch können wir viel schneller und günstiger optimieren“, erklärt Thomas Krivec.

Virtuelle Entwicklung, konkrete Ersparnis

Heute umfasst die AT&S-Materialdatenbank ungefähr 900 Einträge und es kommen ständig neue Einträge oder zusätzliche Messwerte dazu. Das Simulationsteam in Hinterberg beschäftigt mittlerweile sechs Ingenieure, die diesen Wissensschatz nutzen und Tag und Nacht daran arbeiten, die virtuellen Produktmodelle weiter zu verbessern. „Wir können Substrate und Leiterplatten aus Standardmaterialien in der Simulation mit mehreren alternativen Zusammensetzungen vergleichen und die Lebensdauer, mechanische Verformung und andere Parameter bewerten. So sehen wir, welche Materialien welche Vorteile haben und wo es eventuell Risiken geben könnte. Mittlerweile hat sich auch bei Kunden herumgesprochen, dass AT&S hier einen Vorsprung hat und der Markt beginnt, unseren datenbasierten Ansatz zu kopieren“, erklärt Markus Frewein, der Leiter der AISS Simulationsgruppe.

In Zukunft soll der virtuelle Anteil in der Entwicklung und Optimierung von Leiterplatten und Substraten weiter zunehmen. Unterstützt wird AT&S dabei auch von großen europäischen Forschungsförderprojekten. Im Rahmen von iRel 40 hat AT&S seine Simulationsfertigkeiten zuletzt verbessert, indem ein Prozess entwickelt wurde, der die virtuelle Analyse von mechanischen Verformungen verschiedener Materialien in Smartphone-Mainboards bei wiederholtem Aufheizen erlaubt. So lässt auch die zu erwartende Lebensdauer prognostizieren. Die Ergebnisse wurden kürzlich in einem Buch der 73 beteiligten europäischen Partnerorganisationen veröffentlicht. „Wir sind sehr stolz auf unseren Beitrag zum iREL40 Buch. Wir denken wir konnten damit auch aufzeigen wie wichtig es ist über gute und gültige Materialmodelle zu verfügen“, so Julia Zündel, die Managerin des Materialteams in der AT&S R&D.

Auch im aktuell laufenden IPCEI ME/CT (Important Project of Common European Interest on Microelectronics and Communication Technologies), das den Aufbau eines europäischen Mikrochip-Ökosystems fördern soll, spielt die virtuelle Entwicklung eine bedeutende Rolle. Im neuen AT&S-Werk in Leoben werden die hochmodernen IC-Substrate erforscht und produziert, die für Hochleistungmikrochips unerlässlich sind. „Die komplexen IC-Substrate, die zum Beispiel für die Mikrochips in KI-Rechenzentren benötigt werden, sind relativ teuer in der Produktion. Das macht virtuelle Produktentwicklung noch attraktiver, weil wir den Kunden schneller bessere Produkte liefern können, ohne dass die Kosten explodieren“, erklärt Krivec. Für AT&S ist das eine Chance, sich in einigen neuen Märkten zu platzieren. Der Vorsprung bei Materialcharakterisierung und Simulation, die wachsenden Ansprüche der Chipindustrie und ein europäisches Interesse an der Technologie liefern optimale Voraussetzungen für den „Virtual First“-Ansatz von AT&S. Die Zukunft der Elektronikindustrie liegt in den digitalen Modellen in Hinterberg.

Veröffentlicht am: 18. Dezember 2024

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